Literatur Ausgewählte Bücher - "Tibet - Eine Kolonie Chinas"

Tibet - Eine Kolonie Chinas
Ein Buddhistisches Land sucht Befreiung

Hg.: Helmut Steckel, Hamburg 1993,
367 Seiten, gebunden, 25 Beiträge, umfangreicher Anhang, 25 Schwarz-Weiß-Fotos
Sonderpreis: 5 Euro (vorher 38 DM)
Einleitung
"Vom Mythos der friedliebenden Unschuld" (Leseprobe)
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"Vom Mythos der friedliebenden Unschuld"
DIE INNEREN AUSEINANDERSETZUNGEN IN TIBET
IN DER ERSTEN HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS

von Heather Stoddard

In der Mehrzahl der Bücher wird von westlichen wie von tibetischen Autoren der Stadpunkt vertreten, daß die großen Umstürze und die Zerstörung, die Tibet seit Mitte dieses Jahrhunderts erfahren hat, allein zurückzuführen seien auf die von außen einwirkenden Aggressionen gegenüber einem alten friedliebenden, unschuldigen und religiösen Volk, einer "Nation der Einsiedler” und einer Gesellschaft, die von den über den Planeten fegenden Winden der Veränderung unberührt geblieben sei.

Das andere Extrem ist die chinesische - marxistische - Ansicht einer traditionellen tibetischen Gesellschaft unter der Herrschaft von zwei ebenso oppressiven wie reichen Elitegruppen, die es auszumerzen galt: Ein Feudaladel und ein mächtiger Klerus, die das Land besaßen und eine im Elend lebende, versklavte bevölkerung beherrschten.

Einerseits hat sich das romantisierte Tibetbild aufrechterhalten - von den Traditionalisten der tibetischen Exilgemeinschaft mit Erfolg gestützt, die jegliche Kritik an dem alten Regime als Bedrohung ansehen; andererseits existiert die grobe Karikatur des alten Tibet, die von den Propaganda-Stellen der Volksrepublik China gezeichnet wird. Zum Glück ändert sich das Klima der Weltmeinung, und auch die Verleihung des Friedensnobelpreises an den Dalai Lama wird zu einem besseren Verständnis der eigentlichen Natur des Tibetproblems beitragen.

Die folgende Darstellung der Geschichte Tibets in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezieht sich auf eine Handvoll tibetischer "Intellektueller”, die durch ihren Kontakt mit der Außenwelt unwiederruflich aus ihrer eigenen Tradition herausgetreten sind. Die meisten waren im Ausland erzogen worden, in Indien, China oder Ost-Tibet, andere waren Mönchsphilosophen, darauf bedacht, sich regelmäßig über die Ereignisse in der Welt und in Asien zu informieren. Wieder andere hatten aufgrund direkter und längerer Erfahrungen mit einer anderen Gesellschaft ihr Weltbild geändert und sahen bei ihrer Rückkehr mit neuen Augen, was innerhalb des Schneelandes vor sich ging. Auch wenn sie eine heterogene Gruppe waen, so hatten sie doch alle den Blick für die Dringlichkeit der Lage und letztlich den Wunsch, das alte Regime abzuseten und eine neue "republikanische”, "sozialistische” oder "kommunistische” Regierung zu konstituionieren, die den Bedürfnissen des 20. Jahrhunderts eher entsprochen hätte.

Ob sie "Revolutionäre” oder "Progressive” waren, ist Ansichtssache. Einige wollten all das vor der Vernichtung retten, was im traditionellen Tibet gut gewesen sei, und die fragile Unabhängigkeit konsolodieren. Sie träumten von der Gründung eines tibetischen Staates, der Zentraltibet und die östlichen Provinzen Kham und Amdo umfaßte. Dies wurde in den dreißiger und vierziger Jahren nach und nach zum gemeinsamen Ziel. Jende, die dem Ideal eines internationalen Kommunismus anhingen, bestanden weniger auf diesem Aspekt; zweifellos war ihnen jedoch die Leidenschaft für ihr Land und ihr Volk gemeinsam. Diese Leute waren innerhalb Asiens meist weitgereist und über die Ereigniss und wechselnden politischen Strömungen auf dem Laufenden, die sich zwar sicherlich mit einer gewissen Naivität, aber doch in dem Bestreben interpretierten, allen Ungleichheiten und dem Gewicht der Großmächte zum Trotz, Tibet Gehör zu verschaffen.

Angesichts dieses so klar vom XIII. Dalai Lama vorgesehenen "Weges der Roten” erstarrten nicht nur die Briten und die Chinesen, sonder auch die Regierung in Lhasa, die sich in dieser entscheidenden Zeit der dreißiger und vierziger Jahre jeglicher Veränderung widersetzte und alle neuen Ideologien fürchtete. Rufen wir uns die "testamentarischen” Worte des XIII. Dalai Lama ins Gedächtnis, die er 1932, ein Jahr vor seinem Tod, an das tibetische Volk richtete:

"In unserer Zeit zeigen sich überall die Anzeichen des Niederganges. Insbesondere verbreitet sich der Weg der Roten in großem Ausmaß, weshalb auch die Suche nach der Inkarnation des Jetsün Dampa (in der Mongolei) verboten ist. Die Sakralobjekte in den Klöstern werden gestohlen, die Mönche werden mit Gewalt zur Armee gezogen, und die Lehre des Siegreichen wird bis auf ihren Namen zerstört. Wir haben von diesen Ereignissen in Urga gehört. Dies wird auch in Zukunft so weitergehen, und es naht die Zeit, wo dies auch im buddhistischen Königreich Tibet eintreffen wird, entweder von außen dirigiert oder von innen kommend. Wenn wir dann nicht mehr wissen, wie wir unser Land beschützen sollen, werden die Siegreichen, Väter und Söhne, edle Erhalter des Dharma zu Fall gebracht werden, und die politische Tradition der Drei Dharma-Könige wird verlorengehen. Alle Regierungsbeamte werden ihres Landes und ihrer Besitztümer enteignet werden, sie werden vom Feind geknechtet werden oder wie Bettler umherirren. Es ist sicher, daß wir auf eine Periode der Unterdrückung und des Terrors zugehen, wo sich Nächte und Tage endlos in die Länge ziehen werden...”

S. H. d. XIII. Dalai Lama

Über die Prophetie in der tibetisch-buddhistischen tradition ist bisher wenig gesagt worden. Zweifellos spielte sie in allen möglichen Zusammenhängen des klassischen und religiösen Schrifttums ebenso wie in der Gesellschaft eine große Rolle. Jeder weiß, daß entsprechend den buddhistischen Prophezeiungen die Welt in ein "Zeitalter des Niedergangs” eingetreten ist. Die aktuelle Bedeutung prophetischer Weissagungen in der gesellschaft ist offentlichtlich – man denke nur an das Staatsorakel, den "Herr des Dharma”, Nätschung Tschödsche, von dessen Prophezeiung alle polistischen Eintscheidungen abhingen, oder auch an die Hunderte von weniger wichtigen Orakeln, die überall auf dem tibetischen Plateau standen.

Der Einfluß dieser sehr gut informierten Propheten auf Klerus und Adel während der kritischen Periode, die in den fünfziger Jahren in die chinesische Okkupation mündete, ist meiner Meinug nach nicht zu unterschätzen. Auch als der erste Progressive in Tibet unterließ es der XIII. Dalai Lama nicht, kurz vor seinem Tode sein Volk vor den Gefahren zu warnen, die von außen - oder sichtiger noch - von innen kommen könnten. Zweifellos bsiert siese Vermutung eines möglichen Auftauchens "roter” Ideen in der tibetischen Gesellschaft auf seiner eigenen politischen Erfahrung. Ich werde später darauf zurückkommen.

Den Dalai Lamas des 19. Jahrhunderts war es nicht gut ergangen: Die meisten starben vor oder während ihrer Volljährigkeit an einer "Erkältung” oder an einem "Fieber”. Der Bruder des gegenwärtigen Dalai Lamas, Norbu, bringt ihr Versterben mit dem rituellen Besuch des heilgen Sees Lhamo Lhatso in Verbindung, in dem sie ihre Zukunft und todesart sehen konnten. Die ernannten Köche für die Begleitung der heiligen Pigerschaft waren anscheinend empfänglich für die Bestechungen der Mandschus, welche diese Taktik benutzten, um Tibet unter Kontrolle zu halten.

Dem XIII. Dalai Lama gelang es, 1900 mindestens einem Attentatsversuch durch den pro-mandschurischen Demo Rinpoche zu entkommen, gerade, nachdem er zu Anfang seiner Herrschaft einige reformen veranlaßt hatte.

Wir sehen also, daß der Dalai Lama bereits von Anfang an, noch bevor er äußerem Einfluß ausgesetzt war, an reformen interessiert und sich der Notwendigkeit von Sicherheit sehr bewußt war. Einerseits war seine eigene Person bedroht, andererseits mußte er zwei Invasionen imperialer Großmächte in seinem Land durchstehen. Er wurde sich lebhaft der Notwendigkeit bewußt, Tibets eigenes Verteidigungssystem aufzubauen. Er lernte den Verrat kennen und umgab sich Zeit seines Lebens mit einer kleinen Schar ihm treu Ergebener aus ganz unterschiedlichen sozialen Schichten.

Trotz mehrmaliger Versuche gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem Dalai Lama Kontakt aufzunehmen, waren die Briten darin gescheitert, da er ihnen als junger, unerfahrener, unsicherer Oberpriester, der ziemlich abgeschlossen von der Welt und unter dem von den Mandschus ausgehenden, stark xenophobischen Einfluß lebte, eine Antwort einfach verweigerte. Zugleich konnte er seinen eigenen Kopf durchsetzen und hatte beispielsweise die Todesstrafe in Tibet abgeschafft. Das britische Imperium befand sich auf dem Höhepunkt seiner Macht, und einige seiner Vertreter waren verwegene Abenteurer, die die Grenzen ihrer Mission überschritten.

Als Younghusband in Lhasa einmarschierte, mußte er feststellen, daß die Bevölkerung verschwunden war: Aus Furcht vor dem schrecklichen Ruf der Briten bacht Seine Heiligkeit in die Mongolei auf, begleitet von einem hochintelligenten burjatischen Lama namens Dojiev, dn er einige Jahre zuvor als Berater genommen hatte. Zuerst übte Dorjiev mit dem jungen Dalai Lama buddhistische Dialektik, später sollte er ihn in seiner zentralasiatischen Politik beraten, Younghusband kannte Zentralsien sehr genau und befürchtete eine russische Intervention.

20.000 Menschen - die gesamte Bevölkerung - kamen, um den Dalai Lama bei seiner Ankunft in Urga zu empfangen. Zugleich machten sich viele Pilger aus Sibirien, China und Turkestan auf den Weg, um ihm ihre Ererbietung zu bezeugen. Nach einjährigem Aufenthalt brach er zur Rückkehr nach Lhasa auf, erhielt jedoch unterwegs die dringende Einladung von der Kaiserin Cixi, nach Peking zu kommen. Dahinter steckte die Absicht, ihn all seiner weltlichen Macht zu entheben. Dennoch gelang es ihm, mit vielen Vertretern der westlichen Imperialmächte in direkten Kontakt zu treten. Er trat dort mit bemerkenswerter Unabhängigkeit und Courage auf, insbesondere angesichts der aufsässigen Adeligen des untergehenden Mandschu-Hofes, die jede seiner Bewegungen zu kontrollieren versuchten. Bei seinem Aufbruch erklärte er, froh zu sein, daß er sicher und gesund davongekommen sei.

Bekanntlich esistierte während der mongolischen Dynastie eine formale Priester-Gabenherr-Beziehung zwischen den Sakya-Herrschern und dem Kaiser, die während der Ming-Dynastie etwas ins Wanken geiet, von den Mandschus mit dem großen V. Dalai Lama jedoch wiederaufgenommen und in den zweieinhalb Jahrhunderten ihrer Herrschaft aufrechterhalten wurde. Historisch mag dies als ein im Grunde friedlich-religiöses und diplomatisches Band zwischen zwei Oberhäuptern Zentralasien gesehen werden, als Teil des Glaubenssystems und auch als Schutz gegen eine Assimilierung durch die Han-Chinesen. Tatsächlich wurde der Buddhismus als Staatsreligion zu demselben Zweck auch von anderen Nicht-Han-Herrschern Chinas eingesetzt.

Unmittelbar nach der Younghusband-Expedition von 1904 änderte sich die Situation dramatisch. Das untergehende Mandschu-Imperim reagierte mit beispielloser Gewalt und dem erklärten Zeil, Tibet zu assimilieren und den tibetischen Klerus zu zerschlagen. Zusammen mit seinem Bruder Thao Erxun, dem kaiserlichen Historiographen und Vizekönig von Szechuan, entwarf Zhao Erfeng als neuernannter Gouverneur von Chamdo folgenden Plan: Das tibetische Plauteau sollte durch arme Bauern aus Szechuan besiedelt werden. Zhao Erfeng, bekannt als der "Schlächter”, leitete 1905 eine Expedition nach Ost-Tibet. Absolut anti-religiös, wie er war, machte er schonungslos daran, Mönche zu massakrieren und Klöster dem Erdboden gleichzumachen.

In der Zwischenzeit ernannte der Dalai Lama 1907 von Kumbum in Amdo aus ein neues Ministerkabinett in Lhasa, dessen Mitglieder nach ihrer Motivation ausgewählt wurden, "ein starkes und unabhängiges Tibet zu schaffen”. Als Anfang 1910, kurz nach der Rückkehr des Dalai Lama Zhao Erfeng auf Lhasa zumarschierte - mit dem Befehl, das Oberhaupt der Tibeter zu verhaften und die heilige Stadt einzunehmen, flog der Dalai Lama nach Indien, wo die Briten ihm zwar politisches Asyl gewährten, ihm jedoch Hilfe verweigerten, als er den Mandschus die Suzeränität absprach und die Anerkennung der tibetischen Unabhängigkeit forderte. Dies war erst der Anfang eines ungleichen Kampfes, den die Tibeter gegen die Supermächte ausfochten und der bis zur chinesischen Okkupation von 1951 andauern sollte.

Dies war auch der Beginn einer Zeit britisch-orientierter Reformen und Entwicklungen in Tibet. Nach dem Zusammenbruch des Mandschu-Imperijms ging Zhao Erfeng nach Chengdu zurück und wurde enthauptet. Der Dalai Lama kehrte 1912 nach Lhasa zurück und stellte eine neue regierung auf. 1913 wurde ein Vertrag mit der Mongolei unterzeichnet, in dem beide Länder gegenseitig ihre Unabhängigkeit vom untergegangenen Mandschu-Reich anerkannten und sich wirtschaftliche Zusammenarbeit versprachen. Der bemerkenswerte burjatische Lama Dorjiev war selbstverständlich mit dabei.

Im gleichen Jahr wurden vier junge Adelige zur Ausbildung nach England geschickt. Mit Hilfe von Sir Charles Bell begann der Dalai Lma die typischen Institutionen eines modernen Nationalstaates zu schaffen: Tibet hatte seit der Mandschu-Zeit seine Nationalversammlung. Nun wurde eine neue Währung und ein Postsystem eingeführt und eine telegraphische Verbindung mit Indien eingerichtet. Eine britische Schule wurde eröffnet und die schwache, ineffektive Armee verstärkt. Beamte wurden dem britischen System einsprechend ausgebildet.

Trotz der aufrichtigen persönlichen Sympathie von Seiten Bells und nachfolgener britischer Vertreter in Lhasa, unterstützte die britische regierung Tibet jedoch in keiner Weise, sondern erschwerte im Gegenteil immer wieder alle tibetischen Bemühungen um Selbstbestimmung.

So mokierten sich die Briten 1914 in Simla über das tibetische Anliegen, die vom tibetischen Volk bewohnten Gebiete als Teile Tibets anzuerkennen, sowie über die "angeblich authentischen "Dokumente”, die als Beweismaterial vorlagen, und behaupteten, die Tibeter hätten keine klaren Vorstellungen über ihre eigenen Grenzen.

1918 ergriff Sir Eric Teichmann als Mittelmann in Kham zugunsten der Chinesen Partei gegen die Tibeter, gerade nachdem es den Tibetern , nach Jahren erbitterter Kämpfe, gelungen war, die Kontrolle über ihr Land bis nach Dartsedo wiederzuerlangen.

Die neue chinesische Republik versuchte, das alte Patronatsverhältnis zur tibetischen Priesterschaft wiederaufzunehmen, wurde aber vom 13. Dalai Lama bis zu seinem Tod im Jahre 1933 erfolgreich davon abgehalten. Doch dann gelang es ihnen, sich als Trauergäste bei seiner Begräbniszeremonie einzuschleichen. Daraufhin blieben sie als inoffizielle Vertreter bis Ende der vierziger Jahre und wetteiferten mit den Briten um die Gunst der tibetischen Elite in Lhas und Gelegenheit zur Propaganda.


Der Konflikt zwischen Armee und Klerus

Vor diesem Hintergrund ist der Konflikt zu erörtern, der zwischen der tibetischen Armee und den fortschrittlichen jungen Adeligen einerseits und dem Klerus, der von konservativen Adeligen gedeckt wurde, andererseits schwelte. Außerdem spielte die Eifersucht unter den Günstlingen des Dalai Lama eine wichtige Rolle, und darin lag auch seine größte Schwäche.

Lungshar, einer der Favoriten des Dalai Lama, wurde nach seiner Rückkehr aus Europa Finanzminister und erhob neue, die adeligen Lebensgüter und die Klöster betreffende Steuern zum Ausbau der Armee. Der Widerstand gegenüber diesen beispiellosen Maßnahmen gipfelte in der Flucht des Panchen Lamas nach China im Jahre 1923.

Die Guomindang, die vom Dalai Lama am Eindringen nach Tibet gehindert worden waren, ergriffen die Gelegenheit, Zwietracht unter den Tibetern zu schüren.

1925 drangen die jungen Adeligen in die Nationalversammlung ein und forderten militärische repräsentanz. Tsarong, der Oberbefehlshaber der Armee und Direktor der Münzprägeanstalt, war zu diesem Zeitpunkt abwesend, und sein langjähriger Rivale Lungshar ermutigte die Mönche, den Vorfall aufzubauschen und als versuchten Staatsstreich darzustellen. Die Bevölkerung Lhasas wurde hellhörig, da sie an eine Konfrontation zwischen Armee und Mönchen glaubte. Die Armeeoffiziere waren von der Wende der Ereignisse überascht und rüsteten auf. Dann intervenierte der Dalai Lama persönlich. Die Täter wurden ihrer Würden enthoben und mußten ihr kurzgeschorenes Haar wieder wachsen lassen. Tsarong verlor seine hohe Position.

Der Dalai Lama schien mit seinen Reformen zu weit gegangen zu sein; und von da an wandte er sich definitiv von der Modernisierung ab, bis er 1932 sein berühmtes Testament kundtat, in dem er das Ende der buddhistischen Geistlichkeit und des Adels in Tibet prophezeite.

1925 übernahm Kunphela, ebenfalls von niederer Herkunft und ein Favorit des Dalai Lama, Tsarongs Amt, das er bis zum Tode des Dalai Lama 1933 versah. Er wurde bekannt als der "Schlüssel” des Dalai Lama oder als Chense, "Klare Augen”, und war nach dem Dalai Lama der mächtigste Mann Tibets. Er fuhr das erste Auto in Tibet und erteilte die Erlaubnis für die erste Kinovorführ8ung. Die Adeligen, insbesondere Lungshar, waren auf seinen Einfluß eifersüchtig.

Natürlich waren die großen Klöster in der Umgebung von Lhasa Orte besonders starken Konservatismus. Gleichzeitig bildeten die buddhistischen Mönche, die sich frei von familiärer Verantwortung und materiellen Wünschen ganz dem Studium und der philosophischen Debatte widmeten, das Potential für unabhängiges Denken und Handeln, wobei sie jedoch die Exkommunikation aus der religiösen Gemeinschaft riskierten. Es sei auf zwei bekannte Männer aus Amdo mit ganz unterschiedlichen Veranlagungen verwiesen, die sich in dieser Hinsicht hervortaten: Geshe Sherab Gyatso, der Vertraute des XIII. Dalai Lama und einflußreiche Lehrer in Drepung und Lhasa, war aufgrund seiner Kontakte mit reisenden Lamas aus Osttibet und der Mongolei und durch die einzige tibetische Zeitung, die von `Tharchin in Kalimpong veröffentlicht wurde, sehr gut über die politischen Ereignisse in Asien informiert und beobachtete Maos Fortschritte in China mit großem Interesse.

Sein Schüler, Gedün Chömpel, war ein rebellischer Jugendlicher, frühreif und ein brillanter Dialektiker, der die Mönche als noch nicht Zwanzigjähriger schockierte, indem er automatisches Spielzeug, kleine fliegende Vögel und Boote, die übers Wasser fuhren, anfertigte. In Drepung ging er nicht mehr zum Unterricht von Geshe Sherab und widmete sich statt dessen der Malerei.

Zur gleichen Zeit entwickelte sich in Kham in Osttibet eine neue wohlhabende Klasse von Kaufleuten - Familien, die vom XIII. Dalai Lama wegen ihres geleisteten Schutzes bei seinen schwierigen Reisen zu Anfang des Jahrhunderts begünstigt worden waren. Dies waren in erster Linie die Pomdatshang, Sadutshang, Gyanaktshang und Andtsang. Sie schickten ihre Söhne und Töchter zur Erziehung nach China in Guomindang-Schulen oder in die britischen Schulen nach Indien. Sie schnitten ihr Haar, trugen Kleidung im westlichen Stil und studierten die Demokratie und Karl Marx.

Unter ihnen tat sich die Familie Pomdatshang hervor, in der esdrei Brüder gab:_ Yarphel wurde Handelsbeauftragter der Regierung und bald zum wohlhabendsten Kaufmann Tibets. Sein Vermögen beruhte auf dem Wollhandel, mit einem Handelsnetz, das von Kalkutta über Kalimpong und Tibet bis nach China reichte. Sein großes Interesse galt der Münzprägung sowie dem Waffenimport aus Indien. Dadurch stand er auch dem Favoriten des Dalai Lama, Kunphela, sehr nahe.

Tobgyal, sein Bruder, war ein berühmter Krieger, der 1930 vom Dalai Lama zum Militärkommandeur über große Teile von Kham ernannt wurde. Er war ebenfalls auf die Unterstützung Kunphelas angewiesen. Zwischen den Khampa-Militärs und Kunphela soll absolutes Vertrauen geherrscht haben, während gegenüber den adeligen Beamten in Lhasa immer ein gewisser Zweifel blieb. Rabga, der dritte Bruder, war der Intellektuelle in der Familie. Er absolvierte seine militärische und politische Ausbildung in China und Indien und wurde ein Mitglied der Guomindang-Partei in China, wo man ihn bat, die drei Prinzipien des Volkes von Sun Yatsen ins Tibetische zu übersetzen.

In Kham gab es ferner eine Gruppe junger Tibeter aus dem reichen Batangtal, die zur Ausbildung nach China ging. Einige von ihnen hatten bereits entweder die amerikanische, von Shelton eröffnete Missionsschule oder die Guomindang-Schule besucht, wo sie chinesisch lesen und schreiben lernten. Mehrere Babas wurden zu überzeugten Kommunisten und sprachen sich für ein Tibet als Teil des kommunistischen Mutterlandes aus. Zu ihnen gehörten der in Peking lebende Phunstshog Wangyal oder "Piwang”, sein älterer Bruder Kesang Tsering und sein enger Freund Ngawang Kesang.

Weitere junge Tibeter aus dem Umfeld des Panchen Lama gingen ebenfalls in China zur Schule und studierten politische Philosophie, sowohl republikanische wie auch marxistische. Es wurde viel über die Befreiung von imperialen Mächten und das Recht des Volkes auf Selbstbestimmung diskutiert. Dies beeindruckte die Ost-Tibeter außerordentlich, die nicht nur unter dem jahrzehntelangen Krieg gegen die Mandschu-Truppen und der Ausbeutung durch chinesische Provinzkriegsherren, sondern auch unter dem Verrat der Briten in Kham zu leiden hatten.

Schon früh waren die Ergebnisse dieser Erziehung zu spüren: 1932 versuchte Kesang Tsering, eine autonome Regierung in Kham aufzustellen. Sies war nur der erste von vielen Versuchen der Osttibeter, ihre Identität zu behaupten.

1933 ein Jahr später starb der XIII. Dalai Lama, woraufhin in Lhasa allgemeine Verwirrung entstand. Der Dalai Lama hatte seit 1912 meisterlich regiert. Kunphela war von der Nationalversammlung zunächst als Premierminister vorgesehen. Auf Anstiftung seines Rivalen Lungshar (und mit Hilfe des Staatsorakels und des Arztes Jampa Ösel) wurde er jedoch teilweise für den Tod des geistigen Oberhauptes verantwortlich gemacht und verhaftet, auf Grund einer Petition von Changlochen, Kapshopa und Yuthog wieder freigelassen und in das Chabnag-Kloster in Kongpo verbannt. Er besaß eine solche Ausstrahlung, daß die Mönche ihn zum Abt des Klosters bestimmten.

Einige Monate später fiel Lungshar selbst in Ungnade: in Lhasa wurde eine Verschwörung im Umfeld einer von ihm gegründeten republikanischen Partei aufgedeckt, und man verurteilte ihn wegen Hochverrats zur Bledung. Die Mitgleider seiner Patei wurden ins Exil verbannt, unter ihnen der ehemalige Adelige Changlochen, ein wohlbekannter Autor in Lhasa, der die meisten der politischen Traktate für die Partei geschrieben haben soll. Er hatte 1925 an dem Militärputsch teilgenommen und war zu einem Militärposten nach Kham geschickt worden, wo er mit Tobygal Pandatshang zusammentraf. Nach seiner Rückkehr nach Lhasa verstand er es, seinen Posten in der von Kunphela geleiteten Waffenfabrik zu verschaffen. Nach Lunghars Fall wurde er verbannt und folgte Kunphela nach Chabnag. Von dort aus flohen beide zuerst nach Kalkutta und dann nach Kalimpong, wo Kunphela Arbeit in Yarphel Pandatshangs Wolldepot fand. Changlochen war wohlhabend genug, um nicht arbeiten zu müssen. Agenten der Guomindang in Kalimpong versuchten, sie dazu zu bewegen, nach China zu gehen, was sie jedoch verweigerten.

Zur Zeit von Kunphelas Verhaftung in Lhasa befanden sich die Brüder Tobygal und Rabga Pandatshang in Kham. Sie organisierten den Einzug von Waffen und Munition und erhoben sich gegen die tibetische Regierung. In Lhasa wurde Yarphels Haus umzingelt. In den Quellen wird die Bedeutung dieses Ereignisses unterschiedlich bewertet. Einige betrachten es als zweiten Versuch der Khampas, ihre eigene Regierung aufzustellen und einen autonomen oder unabhängigen Staat zwischen Zentraltibet und China zu errichten. Ein tibetisches Bataillon wurde nach Kham entsandt, besiegte die Abtrünnige, und Yarphel wurde zu Entschädigungszahlungen verpflichtet. Später verschwand Tobgyal nach China, und Rabga machte sich langsam nach Indien auf.

1934, nach Lungshars Verurteilung und der Einsetzung einer ultrakonservativen Regentschaft, verließ Gedün Chömpel, der rebellische Dialektiker, das Kloster Drepung und ging zusammen mit dem indischen Gelehrten Rahul Sankrityayana nach Indien. Rahul war auch Mitglied der Kommunistischen Partei Indiens und übernahm einen aktiven Part in der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Gedün Chömpel sollte zwölf Jahre freiwilligen Exils in Indien verbringen, in denen er forschte, Sanskrit, Pali und Englisch schrieb und klassische indische Texte ins Tibetische übersetzte. Die ganze Zeit über jedoch trug er nach seinen eigenen Worten "eine Last, die schwerer als ein Berg wog”. Nicht einen einzigen Tag lang konnte er vergessen, warum er sein Land verlassen hatte - um "Tibet ein wenig von Nutzen zu sein”, um die Welt etwas vom Schneeland wissen zu lassen und seinem eigenen Volk seine Geschichte bewußt zu machen.

1936 verließ Geshe Sherab Tibet. Unter der stregen Aufsicht des XIII. Dalai Lama hatte er 108 Bäünde des neuen tibetischen Lhasa Kandschur herausgegeben. Die 200 Bände des Tendschur sollten folgen. Aber nach dem Tod seines Meisters fiel auch er in Ungnade, weil er es gewagt hatte, einige Passagen des Buddha zu bearbeiten. Vielleicht noch aufschlußreicher ist, daß zweifellos seine tiefe Sympathie für Mao Tsetung bekannt war, und daß er sich auf eine Zeit freute, in der ein neues Zeitalter in Tibet aufdämmern würde,. Er reiste über Indien nach China, wo er eine Vortragsreihe an chinesischen Universitäten hielt. Er blieb gleich dort und wurde nach der Revolution Kopf der Gesamtchineischen Buddhistischen Vereinigung. Sein Versuch, 1944 unter dem Schutz eines Trupps chineischer Soldaten nach Tibet zurückzukehren, wurde vereitelt, aber es gelang ihm, eine neue Übersetzung der "Drei Prinzipien des Volkes” von Sun Yatsen nach Lhasa zu schmuggeln, das von den Guomindang veröffentlicht und von Rabga Pandatshang übersetzt worden war.

1939 tauchte Rabga Pandatshang wieder in Kalimpong auf. Zusammen mit Kunphela und Changlochen schlossen sie einen Pakt, um mit finanzieller Unterstützung durch die Guomindang eine geheime tibetische Partei aufzubauen. Rabga machte sich dann wieder auf den Weg nach China.

Anfang der vierziger Jahre setzte eine Ernüchterung unter den jungen, in China erzogenen Tibetern ein. Tchiang Kaischek verkündete, daß die Assimilierung Tibets durch China bereits eine 1300-jährige Geschichte habe, und daß von nun an eine bedingungslose Verschmelzung mit dem Mutterland unvermeidlich sei. Tchiang ging 1944 noch weiter und veröffentlichte sein Buch "Chinas Schicksale”, wonach all die verschiedenen ethnischen Gruppen - Han, Mandschu, Mongolen, Hui und Tibeter - nur Stämme einer Rasse seien und ein gemeinsames Schicksal hätte, nämlich die Assimilierung durch die Han-Zivilisation. Wir zur Untermauerung dieser Theorie wurde 1943 ein wichtiger Militärfeldzug in Ost-Tibet gestartet: 20.000 Soldaten sammelten sich in Szechuan an der Grenze zu Cham und weitere 13.000 marschierten von Norden her nach Amdo. Lhasa wurde ein Ultimatum gestellt:
1. Das Amt für Auswärtige Angelegenheiten muß geschlossen werden.
2. Tibet muß China beim Bau einer beide Länder verbindenden Straße zusammenarbeiten.
3. Tibet muß China gute Landebahnen für Flugzeuge zur Verfügung stellen.
4. Chinesen müssen völlige Bewegungsfreiheit in Tibet erhalten.

Lhasa reagierte, indem es jeglichen Transport chinesischer Güter über das Hochplateau unterbrach.

Im gleichen Jahr kamen drei Babas in Kalimpong an: Phiwang, sein Bruder Kesang Tsering und sein Freund Ngawang Kesang. Sie hatten die republikanischen Truppen der Chinesen in Kham bekämpft und waren dann nach Lhasa gegangen, um dem Kashag eine Petition auszuhändigen, in der die Einigung Tibets und eine Revolte gegen die Chinesen gefordert wurde. Da Surkhang keine positive Antwort gab, gingen sie nach Kalimpong, um einen Appel an die Briten zu richten - mit dem gleichen negativen Ergebnis. Kurz vor seinem Besuch in Lhasa hatte Phiwang eine osttibetische Revolutionsregierung angeregt, die zusammen mit Zentraltibet gegen die Chinesen kämpfen sollte.

Anfang 1946 bestellte Rabga Pandatshang bei den britischen Druckern Thacker Spinks § Co. in Kalkutta ganz offen den Druck von insgesamt 8.000 Antragsformularen und 400 Mitgliedskarten für eine politische Partei. Er gab zwei Aufträge im Abstand von zwei Monaten: Beim ersten unterstand ide neue Partei der Guomindang, während seie beim zweiten unabhängig geworden war und sich ziemlich von der chinesischen Organisation gelöst hatte. Der Name der Partei sollte dreisprachig erscheinen, auf tibetisch, chinesisch und englisch. Auf tibetisch war es die Nub-Bod legs-bcod skyid-sdug )”Tibet Reform Partei”), der gleiche Name, den Sun Yatsen für seine revolutionäre Partei gewählt hatte, die 1911 die Mandschu Dynastie zu Fall brachte. Das grün-weiß-emaillierte Parteiabzeichen zeigt einen tibetischen Webstuhl und eine Sicher vor dem Hintergrund eines Schneeberges. Gedün Chömpel hatte es entworfen.

1946 war Indien gerade ein Jahr unabhängig. In den indischen Zeitungen wurde die Freiheit politischer Parteigründungen viel diskutiert, so daß Rabga sich im Recht glaubte und keinerlei Vorsichtsmaßnahmen ergriff, um sein Projekt zu verbergen. Der britische Geheimdienst in Kalkutta erfuhr jedochsehr bald davon, und so gelangte die Nachricht direkt z um britischen Repräsentanten in Lhasa, zu Hugh Richardson. Er war von der Regierung angewiesen, die Details dieser Partei nicht aufzudecken, denn "Die tibetische Regierung durchläuft eine Periode tiefgehender Trägheit und Apathie, und es ist schwierig, ihnen zu helfen, solange sie nicht selbst dazu in der Lage sind.” So begann Richardson vorsichtig, dem hohen Adel in Lhasa Andeutungen zu machen, um herauszufinden, was sie wußten. Aurkhang, der Ministerpräsident, war wohl im Bilde und verband die Affäre mit Rabga Pandatshang und den Guomindang in China. Es stellte sich heraus, daß ein mutmaßliches Parteimitglied, Gedün Chömpel, nach zwölfjährigem Exil kürzlich in Lhasa angekommen war und dabei war, eine politische Geschichte Tibets zu verfassen. Im Mai 1946 wurde tibetisches Falschgeld an der Grenze von Phagri gefunden und Gedün Chömpel wurde angeklagt, verhaftet und verhört. Seine wertvollen Notizen über die Geschichte tibets wurden konfisziert und vernichtet. Im Juni befahl die britische Regierung Rabga, Tibet innerhalb eines Monats zu verlassen. Er legte Berufung ein, die jedoch verweigert wurde, und so blieben ihm nur zwei Tage, alle belastenden Unterlagen zu verbrennen, bevor der Britische Geheimdienst in Kalimpong sein Haus durchsuchte. Es wurden nur 300 unbeschriebene Kopien der Antragsformulare gefunden. Am nächsten Tag entdeckte man bei Rabga das kurze Parteimanifest, unterzeichnet vom Präsidenten und seinen beiden Kekretären, Kunphela und Changlochen. Den ganzen Juli über wurde ein endloser Strom von Zeugen in dem Bungalow in Kalimpong vernommen, die aber Rabga zufolge falsche Aussagen machten. In der Zwischenzeit wurde Rabga aus Indien ausgewiesen und kehrte nach China zurück. Am Ende des Monats befürchtete Richardson, daß die im Wortlaut des Manifestes "tyrannische Regierung Lhasa” von Yarphel Pandatshang gestürzt werden könnte. Gerüchte über die Liquidierung bestimmter Regierungsmitglieder gingen in Lhasa um. Im August hatte Richardson der britischen Regierung immer noch keine Details der Verschwörung bekanntgegeben. Er befand sich offensichtlich ein einer sehr ungemütlichen Lage. Am 25. August tagte die Nationalversammlung drei Tage lang, um die Bedrohung des Kommunismus in Tibet und den Fall von Rabga und seiner Partei zu diskutieren, was beides als ein betrachtet wurde.

In der Zwischenzeit wurde Rabga von den Guomindang denunziert. Sie erklärten, ihm nur aufgetragen zu haben, die "Drei Prinzipien des Volkes” ins Tibetische zu übersetzen. Ende des Jahres wurde die Affäre für beendet erklärt. Kunphela lehnte das Angebot eines Lehrstuhls für Tibetisch in Benares ab und begleitete Rabga nach China, während Changlochen eine Weile in Klimpong blieb. Rabga brach 1948 alle Verbindungen mit Tschiang Kashek ab, als er nach Kham zu seinem Bruder ging.

Mittlerweile hatten die Khampas und Amdopas an Erfahrung gewonnen. Sie begannen, ihre Vision zu erweitern, und beschlossen, ein revolutionäres Vorhaben zu starten, das ganz Osttibet umfassen sollte. Sie waren vom Adel in Lhasa und den Briten enttäuscht, und sie wußten, daß sie schnell handeln mußten, wenn sie den chinesischen Übergriff überleben wollten. Noch waren sie gewill zu versuchen, Zentraltibet von der Vernunft der Einheit zu überzeugen. Nach Aussagen von George Patterson schickten acht Osttibeter, unter ihnen Rabga und Tobgyal Pandatshang, vier andere nicht genannte Khampas und zwei Männer aus Amdo, Geshe Sherab und Lobzang Tshewang, einen dringenden Aufruf an die tibetische Regierung. Sie wußten, daß, wenn der Bürgerkrieg in China erst vorüber wäre, die chinesische regierung ihre Aufmerksamkeit auf Tibet richten würde. Sie stellten Lhasa ein Ultimatum - Einheit oder Kapitualation. Sollte Lhasa nicht reagieren, dann würden die Osttibeter in Lhasa einmarschieren. Dies geschah Ende 1948 oder 1949. Die rasche Entwicklung der Ereignisse in China hielt sie von der Realisierung ihres Vorhabens ab. Dagegen schickte nun die Kommunistische Partei Chinas ein Ultimatum an die Osttibeter: Entweder ihr kapituliert und arbeitet mit uns zusammen, oder ihr werdet im Kampf vernichtet. China war in seinem Revolutionsfieber entschlossen, ganz Asien von der Korruption zu befreien. Die Befehele waren deutlich: Die Osttibeter sollten einen Aufstand gegen die reaktionäre Regierung in Lhasa erklären. Die Chinesen reagierten prompt. Um jegliche Aktionen seitens der Tibeter zu vereiteln, hatten sie bereits per Radio verkünden lassen, daß die Khampas und Amdopas die Waffen gegen Lhasa erhoben. Jede Hoffnung auf Zusammenarit mit Lhasa wurde somit zunichte gemacht.

Die andere Gruppe von Osttibetern, Phiwangs geheime Partei mit Stützpunkt in Lhasa, entsandte im Mai 1949 eine von allen Mitgliedern unterzeichnete Petition, die eine sofortige Neukonstituierung und die Schaffung einer neuen demokratischen Regierung unter chinesischer Protektion forderte. Leider war diese Petition in Chinesisch verfaßt. Lhasa nahm diese letzte Rücktrittsforderung nicht ohne Eleganz in Empfang. Alle Raioverbindungen zur Außenwelt wurden abgeschnitten, und Phinwang samt allen Mitgliedern seiner Partei und der gesamten chinesischen Gemeinde in Lhasa wurden unter den Fanfaren der Blaskapelle aus der Stadt hinauseskortiert.

1951 kehrte Phiwang triumphierend an der Spitze des ersten kommunistischen Bataillons, das in Lhasa einmarschierte, zurück. Im gleichen Monat starb Gedün Chömpel in seiner kleinen Wohnung am Jokhang – seine letzten Worte waren:
"Genug,genug, meine Arbeit ist getan.”